Das Zukunftshaus: Interview mit Trendforscherin Oona Horx-Strathern
Trendforschung

Future Evolution Haus: Wie wir in der Zukunft wohnen

Wenn Zukunftsforscher bauen, dann ein «Future Evolution House». Doch anders als vermutet, handelt es sich bei dem Haus von Oona und Matthias Horx nicht um ein Sammelsurium modernster Technik. Im Interview erzählt Oona Horx-Strathern, was seltene Gemüsesorten mit der Zukunft zu tun haben und worum sie ihre Katze beneidet.  

Sie haben sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Die Zukunftsforscher Oona und Matthias Horx wollten ein «Future Evolution House» bauen, das nicht nur seinem Namen, sondern auch ihren eigenen Ansprüchen gerecht wird. Es sollte ein Haus für Individualisten werden, das innovativ und ökologisch nachhaltig ist. Oona Horx-Strathern über das Wohnen der Zukunft und ihr Haus am Stadtrand von Wien, das nie fertig ist.

Frau Horx-Strathern, als Ihr Mann Ihnen vorschlug ein Zukunftshaus zu bauen, fragten Sie ihn, ob er ein Raumschiff im Sinn hat. Wurde es denn ein Raumschiff?

Für meinen Mann ist es tatsächlich ein Raumschiff. Das liegt daran, wie unser Haus gebaut ist. Wir haben verschiedene Module, die man voneinander trennen kann. Es gibt das Modul «Love» mit dem Elternschlafzimmer und dem Bad. Das Modul «Hub» ist mit dem Wohnzimmer und der Küche unser soziales Zentrum. In «Kin» liegen die Kinderzimmer und in «Work» die Büros, die vom Wohnhaus getrennt sind. Mich erinnert unser Haus aber eher an eine Schokoladentafel. Die männliche und die weibliche Sicht aufs Bauen sind dann doch verschieden.

Sie leben weder mit Robotern, noch meldet Ihr Kühlschrank, wenn die Milch leer ist. Was macht Ihr Haus zu einem Zukunftshaus?

Wir experimentieren mit Technik, Design und einem ökologischen Lebensstil. Wenn es etwas Neues auf dem Markt gibt, entscheiden wir uns für das, was in unseren Augen sinnvoll ist. Dinge, die das Leben einfacher und nicht komplizierter machen. Ich möchte nicht nach Hause kommen und mit fünf Fernsteuerungen spielen, sondern entspannen. Etwas, das wir aber sinnvoll finden und sich gut entwickelt, sind Elektroautos. Wir investieren unser Geld lieber in solche Technologien als in ein vollautomatisches Haus, das uns zu Robotern macht.

Sie haben in einem Interview gesagt, Technik sei oft nur Kompensation.

Ich glaube, dass viele Technologien «Toys for Boys» sind. Männer denken, dass sie diese Dinge brauchen. Oft sind sie aber kein Gewinn an Lebensqualität und manchmal weiss man nicht einmal, wie man sie bedient.

Hier unterscheiden Sie zwischen High Tech und Smart Tech.

Ja, Smart Tech ist für mich simpel. Dazu gehört zum Beispiel der Quooker - ein Wasserhahn, aus dem kochenendes Wasser kommt. Damit spart man in der Küche viel Energie und Zeit. Es ist im Grunde eine ganz einfache Technologie, die den Wasserkocher ersetzt. Ein anderes Beispiel ist die elektrische Katzenklappe. Unsere Katze hat ein Mikro-Chip-Implantat und wenn sie sich der Türe nähert, öffnet sich die Klappe. Nicht so smart ist allerdings, dass wir jetzt einen Hund haben, der die Katze verjagt hat. Daran sieht man, dass soziale Intelligenz am Ende doch gewinnt.

Stimmt es, dass Sie Ihre Katze um diesen Chip beneiden?

Ich möchte einfach nicht mehr in meiner Handtasche nach dem Schlüssel suchen. Das verstehen aber nur wenige. Wir haben Piercings und Ohrringe, warum also nicht auch einen Chip unter der Haut oder hinter dem Ohr? Wenn es bei Katzen funktioniert, warum nicht auch bei uns.

Das Zukunftshaus: Interview mit Trendforscherin Oona Horx-Strathern

Abgesehen von Quooker und Katzenklappe setzen Sie Technologien sehr sparsam ein. Das würde man von Zukunftsforschern nicht vermuten.

Viele Technologien sorgen für einen Wow-Effekt, sind im täglichen Leben aber nicht sinnvoll. Wir setzen lieber auf langfristige Dinge als auf spielerische Gimmicks. Und manchmal verzichten wir auch ganz bewusst auf Technik. In unserem Garten pflanzen wir zum Beispiel seltene Obst- und Gemüsesorten an.

Ist der Begriff «Zukunft» womöglich falsch konnotiert? Schliesslich denkt man dabei an High Tech und nicht an seltene Gemüsesorten.

Es geht uns beim Thema Zukunft um Dinge, die Sinn haben. Das betrifft auch soziale Aspekte. Wir werden älter, Familienstrukturen verändern sich und auch die Bedürfnisse des Einzelnen. Hier muss sich Architektur anpassen. Deshalb haben wir uns bei unserem Zukunftshaus für ein Modulsystem entschieden. Wir brauchen Flexibilität.

Sie haben auch schon an das Alter gedacht?

Ja, wir wissen, wo man einen Aufzug einbauen könnte. Und auch die Türen sind breit genug für Rollstühle. Im Badezimmer müsste man vielleicht kleine Änderungen vornehmen, aber das ist keine grosse Sache.

Als Trendforscherin prophezeien Sie, dass sich das Haus der Zukunft nach den Bedürfnissen seiner Bewohner richtet. Nun lebt jeder anders. Es gibt also nicht nur ein Zukunftshaus?

Nein, man kann die Module einsetzen wie man will. Wir können aus unserem Work-Modul ein Wohn-Modul machen oder aus dem Kinder-Modul ein Work-Modul. Die Grundbedürfnisse werden sich in Zukunft aber nicht ändern, schliesslich braucht jeder ein Bad und eine Küche. Was sich hingegen verändert ist die soziale Interaktion. Bei uns sind Küche und Wohnzimmer im Modul «Hub» untergebracht, das ist unser sozialer und kommunikativer Treffpunkt. Hier kommt man zusammen, ohne dass man abgelenkt wird – darum haben wir auch keinen Fernseher. Der Wunsch nach solch einem Ort wird auch in der Zukunft bleiben.

Welcher Raum wird sich am meisten verändern?

Mein Lieblingsthema ist immer das Bad. Weil ich finde, dass Bäder wohnlicher werden. Fast wie in England vor 100 Jahren - damals waren sie noch mit Vorhängen ausgestattet und viel gemütlicher. Man entfernt sich von kalten und sterilen Nasszellen und geht wieder in Richtung Badesalon mit Tapete, Holzboden und weichen Teppichen. Bei uns ist das Bad fast ein zweites Wohnzimmer. Wir haben keine einzige Fliese.

In Ihrer Küche haben Sie den klassischen Esstisch durch eine Bar ersetzt. «Es ist eine dieser unerfüllten Hoffnungen, dass Familien stundenlang harmonisch beim Abendessen zusammensitzen», glauben Sie. Wo finden Familien im Haus der Zukunft zusammen?

An eben dieser Bar. Die Kinder helfen beim Kochen oder sie stehen daneben und man unterhält sich. Unsere Bar ist so hoch wie die Arbeitsfläche, das heisst man begegnet sich auf Augenhöhe. Man kann dort sitzen, reden, arbeiten oder diskutieren. Es ist alles ein bisschen entspannter und lockerer als an einem klassischen Esstisch. Im Grunde wie bei einer langen Autofahrt. Man redet über andere Dinge als wenn man sich gegenüber sitzt. Teenager sind manchmal ziemlich unkommunikativ, man bekommt ein «Ja», «Nein» oder «Mhm». Aber wenn sie neben einem stehen und etwas fürs Abendessen schnippeln, reden sie plötzlich ganz anders.

Uns gehen aufgrund von Pragmatik also nicht Rituale verloren?

Nein, denn es entstehen Neue. Wenn wir gemeinsam kochen oder die Kinder frische Kräuter aus dem Garten holen. Das klassische Abendessen um sieben Uhr abends gibt es bei uns aber nicht.

Ihr Ziel war es, ein Zuhause für Individualisten und eine Katze zu schaffen. Nun leben Sie seit vier Jahren in Ihrem Zukunftshaus. Ist Ihnen das gelungen?

Ja, sogar sehr gut. Es ist nur schade, dass die Katze weggelaufen ist.

Und welche Technologie würden Sie sich noch wünschen?

Eine Schmutzschleuse, wenn der Hund aus dem Garten kommt. Wie bei einer Autowaschanlage. Wir müssen uns nur überlegen, was wir umbauen. Falls die Katze doch zurückkommt.

 

Das Zukunftshaus: Interview mit Trendforscherin Oona Horx-Strathern

Zur Person: Oona Horx-Strathern ist Journalistin, Autorin, Trend- und Zukunftsforscherin. Gemeinsam mit ihrem Mann Matthias Horx führt sie das «Zukunftsinstitut» und berät Unternehmen. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien.

Das Zukunftshaus: Interview mit Trendforscherin Oona Horx-Strathern

Die Familie Horx-Strathern hat am Stadtrand von Wien ein Haus für die Zukunft gebaut. Kurzweilig und mit viel Ironie schildert Oona Horx-Strathern das Drama seiner Entstehung. Zudem behandelt es die Frage, wie wir in absehbarer Zukunft wohnen und leben werden. Erschienen bei DVA Sachbuch.

Gespräch: Nina Grünberger / Alle Bilder: Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher (www.zukunftsinstitut.de), Foto: Klaus Vyhnalek

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