Auf der Suche nach Entspannung heisst es in Zeiten von Burnout und Hektik kreativ zu werden. Nicht neu, aber in der Schweiz noch relativ unbekannt, ist Floating. In einem mit Salzwasser gefüllten Becken treibt man auf der Wasseroberfläche. Wir haben die Schwerelosigkeit im Float Zürich getestet.
Es ist später Nachmittag und die Stadt ist in Eile. An diesem warmen Sommertag ist die Hektik deutlich zu spüren. Auch ich muss mich beeilen, denn ich habe gleich einen Termin. Der Tag war lang und die Schultern sind verspannt - die perfekten Voraussetzungen für meine Verabredung mit Oscar Trott.
Das Floating-Center Zürich liegt etwas unscheinbar am Röschibachplatz an einer beruhigten Wohnstrasse. Von Hektik keine Spur. Kinder spielen auf dem Gehweg, eine Katze spaziert übers Trottoir. Malven säumen die Strasse, im Cafe ums Eck gönnt man sich ein Feierabend-Bier. Die Entspannung beginnt hier bereits vor der Tür.
Was ist Floating?
Beim Floaten treibt man in einem Wasserbecken mit hoher Salzkonzentration. Die Starksole muss so stark mit Magnesiumsulfat angereichtert sein, dass sie den Körper trägt. Die Temperatur beträgt exakt 34,8 Grad, was der Aussenhauttemperatur entspricht – somit ist einem weder kalt noch warm. Floating soll visuelle und akustische Reize fernhalten und in einen Zustand tiefster Entspannung versetzen. Im Floating-Center braucht es also einen Schallschutz. Mit diesen strikten Vorgaben lassen sich auch die Unterschiede zum gewöhnlichen Solebad erklären.
«Herzlich Willkommen, bereit zum Schweben?», fragt Oscar Trott lächelnd, kaum habe ich das Center betreten. Und willkommen fühlt man sich hier tatsächlich. Es ist hell und freundlich, der Gastgeber selbst tiefenentspannt. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man die aussergewöhnliche Architektur, die sich von Aussen geschickt versteckt. Das Floating-Center war in den 60er Jahren ein Kino und kommt mit einer beeindruckenden Raumhöhe daher. Beim Umbau entstand ein gelungener Mix aus weissen Wänden, Beton und Glas. Steril wirkt es trotzdem nicht. Die Gedanken können schon vor dem Floaten ein wenig schweben.
Die Stadt ist plötzlich weit weg
Nach einem kurzen Gespräch (Hausschuhe und Getränk inklusive) zeigt mir Oscar Trott wo ich die kommenden 60 Minuten verbringen werde. Nicht in einer Ei-förmigen Kapsel, die für Floating so typisch ist, sondern einem geräumigem Becken, das kniehoch mit einer Wasser-Salzkonzentration gefüllt ist. Als wir den schummrigen Raum betreten, steigt mir sofort der Geruch frischer Zitrusfrüchte in die Nase. Ich atme mehrmals tief ein und bin voller Vorfreude. Im Hintergrund spielt leise Musik, das Floating-Becken leuchtet in zartem Lila. Die Stadt ist weit weg, das Kurzurlaub-Gefühl spätestens jetzt präsent.
Ich dusche mich schnell ab und verschliesse die Ohren mit Stöpseln. Dann kann es losgehen. Vorsichtig steige ich ins Becken, lege mich hin... und schwebe. Den Kopf lasse ich nach hinten fallen, die Ohren sind unter Wasser, das Kinn leicht über der Wasseroberfläche. Ich höre nur noch meinen Atem.
Wie alles begann...
Floating (dt. schweben, treiben) wurde 1954 von dem amerikanischen Gehirnforscher John C. Lilly erfunden. Er wollte wissen, wie das menschliche Gehirn auf völligen Reizentzug reagiert – und entwickelte die ersten Isolationstanks. Bald darauf setze die NASA die Kapseln in der Raumfahrtforschung ein, um Schwerelosigkeit zu simulieren. In den 60er Jahren wurde Floaten von der esoterischen Szene entdeckt und erlebte grosse Popularität – glühender Anhänger war beispielsweise John Lennon. Nach Europa kam der Trend erst Anfang der 90er. Das erste deutsche Float-Center wurde 2000 eröffnet, die Schweiz folgte 2007.
Zu Beginn spiele ich ein wenig mit der Schwerelosigkeit und lasse mich durch das Becken treiben. Bald weicht die erste Faszination, die Entspannung nimmt zu und mit ihr kommen die Gedanken. Kleine Probleme und Grübeleien lassen sich wunderbar betrachten, so ganz in Ruhe und ohne äussere Reize. Diese Rechnung habe ich allerdings ohne mein Bewusstsein gemacht. Schon bald fällt es mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Ich bin dazu schlichtweg zu entspannt. Kurz darauf döse ich leicht weg. Nicht wach, nicht schlafend, geniesse ich die Leichtigkeit von Kopf und Körper. Mein Zeitgefühl verschwindet vollkommen.
Eine Mischung aus Fisch und Astronaut
Als der Wasserspiegel nach 60 Minuten zu sinken beginnt und ich langsam auf den Boden sinke, bin ich fast ein wenig wehmütig. Noch mehr, als ich aufstehe und das Gewicht von Armen und Beinen spüre – verglichen mit Schwerelosigkeit nicht verwunderlich. Unter der Dusche wünsche ich mir dann einen Bademantel und ein Bett – am besten gleich, denn hinaus in die Stadt möchte ich eigentlich nicht mehr.
«Und, wie war es?», fragt Oscar Trott erwartungsvoll. «Eine Mischung aus Fisch und Astronaut», antworte ich, «Denken war nicht mehr möglich». «Klingt nach einem perfekten Flug», meint er und lächelt. Ich lächle auch. Tiefenentspannt trete ich den Heimweg an. Die Hektik auf den Strassen bringt mich heute nicht mehr aus dem Gleichgewicht.
Fazit
Wer sich gerne Gutes tut, auch mal zur Massage oder in die Sauna geht, findet sicherlich Gefallen am Floating. Die Schwerelosigkeit wirkt ungemein entspannend, Verspannungen im Schulter- und Rückenbereich verbessern sich tatsächlich. Stress und Anspannung fallen im Salzwasserbad völlig ab. Ein «ausserirdisches Erlebnis», wie es ein Kunde auf der Website beschreibt, war es aber nicht. Manch einer spricht auch von «Bewusstseinserweiterung». Den spirituellen Aspekt beschwören vorallem Anhänger, die am liebsten im geschlossenen Floating-Tank schweben. Wer sich mit diesem Zugang nicht identifiziert, kann Floating entweder als aussergewöhnliches Wellness-Angebot, das Körper und Kopf herrlich leicht macht, nutzen, oder sich gewisser medizinischer Aspekte bedienen. Bei orthopädischen Leiden oder Hauterkrankungen lindern Schwerelosigkeit und Salzwasser die Beschwerden.
3 Fragen an Oscar Trott, Float Zürich
Ist Floating eher für sprituelle oder gestresste Menschen geeignet?
Für beide Gruppen! (lacht) Während sich «Medical Floaten» an Schmerzpatienten, Menschen mit Burnout, Sportler oder schwangere Frauen richtet, können alle anderen einfach schwerelos entspannen.
Was verstehen Sie unter «Medical Floating»?
Floating kommt aus der Gehirnforschung und seine Wirkung ist klinisch beschrieben. In der Orthopädie wird es beispielsweise eingesetzt, um chronische Rückenschmerzen zu lindern. Die Dermatologie nutzt hingegen den positiven Effekt des Salzwassers bei verschiedensten Hautkrankheiten. 2013 wurde Floating im Münchner Klinikum «Rechts der Isar» auch als begleitende Reha-Massnahme für Schleudertraumata-Patienten angewandt. Zudem haben wir viele Stammkunden mit rheumatischen Beschwerden, Gelenksproblemen oder starken Rückenschmerzen. Wir haben auch eine Kundin, die unter multipler Sklerose leidet und regelmässig zu uns kommt. «Medical Floating» meint also ein medizinisch wirksames Wellness-Treatment.
Ist Floating nur ein Trend, der wieder vorübergeht?
Da wir nicht «Wellness» im klassischen Sinne anbieten, sondern «Medical Wellness» oder eben «Medical float», werden wir in den nächsten zehn Jahren eine weitaus höhere Marktpräsenz erreichen.
Adressen in der Schweiz
Zürich: im Float Center an der Röschibachstrasse 71 in Wipkingen können Singles und Paare entspannen. Infos unter float-schweiz.ch
Bern: mit der rauschenden Aare nebenan floaten kann man an der Aarstrasse 102 direkt beim Marzili. Infos unter floatbern.ch
Lugano: Das mitten im Grünen gelegene Spa des Resort Collina d'Oro ist nur für Gäste des Hotels zugänglich, doch hier kann man richtig abschalten. Infos unter resortcollinadoro.com
Basel: An der Gerbergasse 40 in Basel finden Sie alles, wonach Körper und Geist verlangen. Infos unter feeling7.ch
Luzern: Wieso nicht ein Geschenkegutscheine fürs Floating zum Geburtstag – natürlich auch für sich selber. Infos unter floating-tank.com