Idyllisches Bergpanorama, hohe Gipfel und klare Seen – der Reiseblog von Anita Brechbühl ist eine Liebeserklärung an die Schweiz. Nach dem Motto «Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah», beweist die Bloggerin, wie vielfältig unser Land ist. Im Interview plädiert sie für mehr Heim- statt Fernweh.
Dem Gespräch mit Anita Brechbühl folgt ein Besuch in der Buchhandlung. «Können Sie mir einen Schweizer Reiseführer empfehlen?», frage ich. Denn 60 Minuten mit der Reisebloggerin genügen, um eine Sehnsucht zu wecken, die gestillt werden möchte: Die Schweiz zu entdecken. Am Wochenende den Rucksack packen und Orte besuchen, die man sonst nur streifen würde, oder Täler erkunden, die verborgen zwischen Bergen liegen.
Anita Brechbühl bloggt auf travelita.ch über ihre Reisen, Städtetrips und Wochenendausflüge. Die meisten führen in die Schweiz. Ein Umstand, der mit der beschränkten Anzahl an Ferientagen einhergeht, die ihre Vollzeitstelle als Verkehrs- und Stadtplanerin mit sich bringt. Das stört die Bernerin aber nicht im Mindesten: «Je mehr ich von der Schweiz sehe, desto grösser erscheint mir unser kleines Land». Ein Gespräch mit der Schweizer Reisebloggerin travelita.
Frau Brechbühl, sind die Schweizer zu wenig in der Schweiz unterwegs?
Jein. Es gibt viele Schweizer, die oft Ausflüge machen, vor allem Familien. Schweizer, die ihre Sommerferien nützen, um zwei Wochen durchs Land zu reisen, gibt es hingegen kaum. Wir gehen am Wochenende zwar in die Berge und im Winter Skifahren, aber wer fährt schon bewusst von einer Etappe zur nächsten, um das Land besser kennenzulernen?
Man müsste also gar nicht in die Ferne schweifen?
Nein, es gibt hier so viel zu entdecken! Ich sage nicht, dass man in der Schweiz bleiben muss, denn ich reise selbst gerne und viel. Aber es gibt Schweizer, die am Wochenende nicht die Stadt verlassen und dann in die Dominikanische Republik fliegen, um sich zu erholen. Das wäre nichts für mich.
Gehen einem im eigenen Land denn nicht die Destinationen aus?
Ganz im Gegenteil. Im Wallis gibt es so viele Täler, dass dafür nicht mal ein Sommer reicht. Und auch all die Orte um Davos kann man sich niemals an einem Wochenende ansehen. Mich beschleicht jedes Mal das Gefühl, dass ich wiederkommen muss, weil ich noch so vieles nicht kenne. Und das finde ich faszinierend. Ausserdem scheint es mir einfacher, sich sechs Monate Zeit zu nehmen und durch Thailand, Laos und Kambodscha zu reisen als sich mit dem Mikrokosmos auseinanderzusetzen, in dem man lebt.
Gab es in diesem Mikrokosmos eine Region, die Sie überrascht hat?
Das Appenzellerland und der Alpstein haben mich wirklich verzaubert. Da ich im Kanton Bern aufgewachsen und immer ins Berner Oberland oder ins Wallis gefahren bin, kannte ich diese Region nicht. Überrascht haben mich auch der Lago di Lugano, das Künstlerdorf Carona und Bellinzona. Im Herbst fahre ich übrigens wieder hin. Ich habe mich vor einiger Zeit dafür interessiert, was in der Schweiz zum UNESCO Weltkulturerbe zählt und bin auf den Monte San Giorgio gestossen, der mir vorher überhaupt kein Begriff war. Der Berg liegt am Luganer See und ist berühmt für sein Fossilien-Reichtum. Das hat mich übrigens auch überrascht: Man wohnt in einem Land und weiss nicht einmal, was zum UNESCO Weltkulturerbe zählt.
Viele stören sich daran aber nicht.
Ja, es gibt Menschen, die Samstags auf dem Sofa liegen und glücklich sind. Aber ich habe immer das Gefühl, dass ich aktiv sein muss. Ich möchte an die frische Luft, in die Natur und neue Eindrücke sammeln. Dadurch entwickle ich mich selbst weiter. Denn von jedem Ort, den ich besuche, nehme ich etwas mit.
Sie waren bereits an vielen Orten – unter anderem in Amerika, Asien und Europa. Der italienische Schriftsteller Ferdinando Galiani sagte: «Wie es Leute gibt, die Bücher wirklich studieren, und andere, die sie nur durchblättern, gibt es Reisende, die es mit den Ländern ebenso machen.» Wie reist man, um nicht nur durchzublättern?
(Anita Brechbühl nimmt sich einen Moment Zeit, bevor sie antwortet.)
Sind wir überhaupt in der Lage nicht nur durchzublättern? Um ein Land kennenzulernen, muss man genügend Zeit haben und mit den Menschen, die dort leben, in Kontakt kommen. Aber ist das immer möglich? Darum finde ich soziale Medien grossartig, denn ich habe über meinen Blog und Instagram verschiedenste Menschen kennengelernt. Als ich in Florenz war, habe ich eine Bloggerin getroffen, die mir all die kleinen Plätze gezeigt hat, die sonst nur die Einheimischen kennen. In Norwegen hat mir eine Bekannte einen Nationalpark vorgeschlagen, der mir nie in den Sinn gekommen wäre. Die Erinnerungen, die man mit diesen Orten verbindet, sind dann viel eindrücklicher, weil man sie ganz anders erlebt hat. Umgekehrt funktioniert es natürlich genauso. Wenn eine Bloggerin nach Zürich kommt, besuche ich mit ihr nicht das Cafe, in das alle Touristen strömen. Das ist der Vorteil, wenn man online ist. Solche Netzwerke sind viel Wert.
Der Reiseblog war also eine gute Idee?
Er hat mir ganz andere Welten eröffnet. Ich habe durch den Blog viele Menschen kennengelernt und Orte besucht, die ich sonst nie gesehen hätte. Das ist für mich die grösste Horizonterweiterung.
Ist Reisebloggerin Ihr Traumberuf?
Nein, eigentlich nicht. Mit einem Beruf verdient man Geld und das ist beim Bloggen schwierig. Schlussendlich ist es wie bei einer Zeitung – man finanziert sich mittels Werbung. Ich möchte aber keine suchmaschinenoptimierten Beiträge schreiben, um einen Link zu platzieren, der wiederum zu einer Kamera führt, die drei Leute kaufen, und ich 20 Rappen verdiene. Ausserdem müsste ich die Masse ansprechen. Die Mehrheit meiner Leser sind aber Schweizer. Und dann gibt es noch einen anderen Aspekt: Ich möchte nicht dafür bezahlt werden, Beiträge zu schreiben. Das ist eine heikle Angelegenheit, unter der meine Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit leiden würden.
Viele Ihrer Reisen werden allerdings von Tourismus-Büros unterstützt. So auch der vorhin erwähnte Aufenthalt im Appenzellerland.
Ich nehme prinzipiell nur Angebote an, die zu mir passen und hinter denen ich stehe. Dann versuche ich sie individuell zu organisieren. Ich möchte nichts schönreden, nur weil ich eingeladen werde. Darum lehne ich Pressereisen oft ab. Bei den meisten Veranstaltungen fliegt man relativ weit, ist vier Tage vor Ort und wird im Grüppchen herumgeführt. Das ist zwar nett, aber kein richtiges Reisen. Beim Reisen bin ich eigenständig und kann selbst etwas entdecken.
Für viele ist Reiseblogger trotzdem ein Wunschberuf.
Ja, und es gibt auch immer mehr Reiseblogger. Sie träumen davon, nicht mehr arbeiten zu müssen, zu reisen und als digitaler Nomade zu leben. Aber wie viele von ihnen wollen das zwei Jahre später immer noch? Ich liebe es, unterwegs zu sein, komme aber auch immer wieder gerne nachhause.
4 Reiseblogs, die Anita Brechbühl liest
International
fernwehosophy.com: «Ein wunderschöner Reiseblog von professionellen Fotografen. Jedesmal, wenn ich ihn besuche, bin ich von den Bildern und dem Inhalt begeistert. Das ist für mich Qualität!»
Schweiz
Reisememo.ch: «Reisememo bietet schöne und inspirierende Hotelberichte. Ein Reiseblog, den es schon länger gibt, und der qualitativ sehr hochwertig ist.»
Globesession.com: «Eine sehr schöne Seite mit einem spannenden Konzept und tollen Bildern.»
Reisewerk.ch: «Jeremy Kunz kenne ich persönlich und er ist das Urgestein der Schweizer Reiseblogger-Szene. Er hat seinen Job Anfang 2014 gekündigt und ist seitdem unterwegs.»